Der Fraktionsvorsitzende Thomas Trüper

Rede von Thomas Trüper im Gemeinderat zum neuen MVV-Großaktionär

Der Vorsitzende der Fraktion LI.PAR.Tie., Thomas Trüper, hat am 2. April 2020 im Gemeinderat der Stadt Mannheim folgende Rede zum Thema neuer Großaktionär der MVV Energie AG, der Fonds FSI, und Abschluss eines Konsortialvertrages mit diesem gemäß Beschlussvorlage V165/2020 gehalten:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,

drei Vorbemerkungen:

  1. Die heute zu treffende Entscheidung fällt ein einer Zeit, die im Grunde seit zwei Wochen vollkommen unabsehbare und nicht berechenbare Prozesse hervorbringen wird, natürlich auch im Wirtschaftsleben, auch im Kapitalmarkt. Jede hier zu vertretende Meinung ist rein spekulativ. Deshalb ist es nicht verantwortlich, die eingeleiteten Maßnahmen in Richtung Quarantäne und Moratorium zu schicken.
  2. Die heutige Abstimmung des Gemeinderates über ein in vielerlei Hinsicht sehr wichtiges Zukunftsthema der Stadt ist unter demokratischen Gesichtspunkten kaum tolerabel. Aufgrund der Börsennotierung der MVV Energie AG und daraus resultierenden Geheimhaltungspflichten im Vorfeld der Entscheidung war eine offene Diskussion insbesondere auch in den in diesem Hause vertretenen Parteien (ich rede nicht von Fraktionen) und in der Öffentlichkeit nicht möglich. Es ist eine in der BRD einmalige Situation.
  3. Die Ursache hierfür liegt 21 Jahre zurück. Damals wurde der Energiemarkt liberalisiert, ein kapitalistisches Haifischbecken der Stromversorger wurde eröffnet. In Mannheim hat sich eine Mehrheit damals dafür entschieden, die Stadtwerke, bevor sie ganz liberal gefressen werden, selbst auf Fresstour zu schicken und sie zu einem großen börsennotierten Player Energiewirtschaft zu machen. Mit Erfolg: Die MVV Energie AG ist der fünftgrößte Energieversorger der Bundesrepublik.Uns – die Parteien der LI.PAR.Tie. hat es damals noch nicht gegeben. Wir hätten uns damals mit Sicherheit für den Anschluss an das Projekt Trianel ausgesprochen, ein Gemeinschaftsunternehmen von Stadtwerken, kommunalen und regionalen Versorgungsunternehmen, das gemeinsame Beschaffung auf den liberalisierten deutschen und europäischen Energiemärkten organisiert und Synergien erschließt. Auch mit Erfolg.Die Parteien der LI.PAR.Tie. treten in den Grundbelangen der Daseinsvorsorge: Energien, Wasser, Entsorgung und Gesundheitswesen für den Grundsatz ein: „Öffentlich vor Privat“, um die Ziele „sozial gerecht und ökologisch“ in diesen Bereichen durchzusetzen. Und dabei bleiben wir auch. Die Rekommunalisierung von Stadtwerken einschließlich der Wasserversorgung haben wir deshalb nach wie vor dem Schirm.

Nach diesen Vorbemerkungen nun unsere Position zu der von der Verwaltung vorbereiteten Möglichkeit, einen Vertrag über den künftigen Verbleib von 45% der MVV-Aktien zu beschließen. Diese liegen bekanntlich gegenwärtig noch bei EnBW und Rhein-Energie, die sie aber seit Jahren veräußern möchten.

Was ist die Alternative zu diesem regulierenden Vertrag? Ein nicht kontrollierbarer und somit chaotischer Aktientransfer in Hände, deren Absichten man nicht kennt und die mglw. eine zur jetzigen ökologischen Linie der MVV Energie konträre Linie verfolgen.

Wir werden – vor diese Alternative aus der oben genannten Liberalisierungspolitik gestellt – für den Abschluss des 5-Parteien-Deals stimmen. Nicht zu versuchen, hier ordnend einzugreifen, wäre u.E. grob fahrlässig und ein Schlag gegen die Ansprüche der Energiewende.

Man fragt sich natürlich, wie kann es 1. überhaupt sein, dass die Stadt Mannheim und die MVV Energie AG einen Vertrag über den Verbleib von Aktien abschließen können, die ihnen gar nicht gehören? Und wie kann es 2. sein, dass sich ein Investor in einem Vertrag von Dritten binden lassen möchte?

Zu 1. führen die Schwierigkeiten von EnBW und Rheinernergie, ihre Aktien ohne große Preisabstriche loszuwerden. Und zu 2. Liegt die Lösung natürlich in Gegenleistungen der Stadt Mannheim, nämlich einer Dividenden-Absicherung auf dem status quo. 59 Mio. Dividenausschüttung ist ein Wort, aber darauf drängt die Stadt Mannheim schon seit Jahren erfolgreich im Aufsichtsrat, um mit ihrem Anteil das Nahvekehrsdefizit auszugleichen. Das ist also für Investor und Stadt ein gleichgerichtetes Interesse – Die MVV Energie wäre sicher an einer anderweitigen Gewinnverwendung Richtung Erhöhung Eigenkapital und Investitionsstärke interessiert. Aber die kommt damit ja offensichtlich gut zurecht.

Aber es muss natürlich auch Leistungen der Investoren geben. Besonders wichtig sind aus unserer Sicht:

  • Anerekennung und Unterstützung für die Ziele der MVV Geschäftspolitik in Richtung Energiewende, Dekarbonisierung ihrer Aktivitäten, Ausrichtung am Pariser Abkommen.
  • Anerkennung des Verbleibs der Wasserversorgung bei der MVV (hier sehen wir allerdings Nachschärfungs-Bedarf, siehe unser Antrag A095/2020).
  • Konzernsitz Mannheim, Absicherung der Gewerbesteuer
  • Verzicht auf Kaptalerhöhungen, die umnittelbar eine Nachschussnotwendigkeit der Stadt Mannheim zur Beibehaltung ihrer 50,1%-Mehrheit zur Folge hätten.
  • Eine lange Laufzeit von 25 Jahren mit Fortsetzungsoptionen. Diese deutet darauf hin, dass FSI das Anlagemodell: langfristig, wenig Risiko und verlässlich mit entsprechend geringererer Renditeerewartung verfolgt, statt kurzfristiges Investment mit Substanzverzehr und spekulativem raschem Weiterverkauf.
  • Wichtig auch das Vorkaufsrecht bei Vertragsstörung. Dies ist eine Festlegung, die die MVV durch den Konsortialvertrag nicht weiter von der Stadt entfernt sondern ggf. näher bringt.

Insofern fasse ich zusammen: Aus ökologischer Sicht bietet der abzuschließende Konsortialvertrag wesentliche Vorteile gegenüber einem „Laisser-faire“. Wir stimmen zu.